Zeitgeschichte HFF

Geschichte eines Stalles

Einst war hier ein weites Feld und nebenan die Hofstelle eines Großbauern mit über 30 ha Land. Nach 1945 waren die Großbauern bei den Kommunisten nicht sehr beliebt und hatten es schwer sich zu behaupten. Bis 1960 hatte es die DDR geschafft alle Bauern in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nach russischem Vorbild zu "integrieren". Die wenigsten Großbauern taten dies allerdings freiwillig. Viele verließen daraufhin im letzten Augenblick die DDR, andere arrangierten sich mit dem System und manch einer nahm einen Strick und ging ein letztes Mal in seinen Stall. Früher nannte man das den sozialistischen Frühling, heute nennt man diese Umwandlung Zwangskollektivierung.
Die neu gegründete LPG baute Anfang der 60er auf diesem Feld eine sogenannte Milchviehanlage, in der 700 Milchkühe gehalten wurden. Der obige Stall Nr. 5 war der kleinste mit 50 Kühen.
Dreißig Jahre später fiel die Mauer und die LPG'n passten nicht ins westdeutsche Kleinbauernsystem, was auf Privateigentum basiert. Deswegen wurden sie zwangsweise entkollektiviert. Man könnte es natürlich auch freundlicher formulieren und sagen, bis zum 31.12.1991 wurden die Genossenschaften per Gesetz in die Marktwirtschaft überführt.
Das neu entstandenen Gut Gallin, geführt vom alten LPG - Vorsitzenden, der vom Kommunisten zum Unternehmer mutiert war, ließ diesen Stall Nr. 5 dann einfach verfallen.
Nach meinem Studium wurde ich 1995 beim Gut Gallin als Betriebsleiter eingestellt und konnte den Betrieb nach harter Auseinandersetzung 2005 kaufen. Damals baute ich eine Biofleischerei und in diesem Zug sanierte ich den Stall Nr. 5 und machte einen Schweinestall mit 150 Mastplätzen daraus, um die Fleischerei mit eigenen Schweinen beliefern zu können.
Inzwischen gehört die Fleischerei nicht mehr zum Gut Gallin. Aus diesem Grund habe ich im September 2023 die Haltung von Schweinen eingestellt. Das letzte Schwein kam in den großen Backofen der örtlichen Bäckerei, ich lud 30 Freunde und Verwandte ein und wir feierten ein rauschendes Fest mit in Strömen fließendem Bier. ;-)
Irgendwie tat mir der leere Stall Nr. 5 dann leid. Mein Cousin Hardy nahm deswegen an diesem Montag die große Flex, riss die Schweinegitter raus und schweißt nun die schicken Rindergitter ein, die seit zehn Jahren in einer Ecke des Hofes rumlagen. Stall Nr. 5 wird nun ein Stall für junge Fleischrinder. Allerdings nur auf der linken Seite. Die rechte Seite bleibt wie sie ist. Wer weiß, vielleicht kommt ja irgendwann jemand auf die Idee, dort wieder Schweinen zu halten...