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Mae Klong Railway Market
Samut Songkhram, Thailand
A. Exotische Märkte gibt es in Thailand wie Schotter in einem Gleisbett. Aber nur einen, auf dem achtmal täglich ein Zug mitten hindurchrumpelt. Schnell müssen dann die Verkäufer ihre Waren sichern - und auch für Kunden ist der Schienenverkehr nicht ungefährlich.
Es riecht nach frittiertem Fleisch und gedünstetem Gemüse. Nach frischem Fisch und Meeresfrüchten. Nach süß-sauren Saté-Spießchen und scharfer Nudelsuppe. Nach Obst und allerlei exotischen Gewürzen. Nach schwüler Luft und trocknenden Pfützen.
Ältere Verkäuferinnen mit nicht mehr ganz vollzähligem Gebiss verscheuchen Insekten. Geldscheine und Plastiktüten wechseln die Besitzer. Junge Frauen in Flipflops trotten über Betonplatten, Gleisstränge und Holzschwellen. Sie tuscheln und kichern und verhandeln hartnäckig mit den Verkäufern. Es rauscht, es wuselt, es menschelt auf dem Markt von Samut Songkhram, rund 70 Kilometer südwestlich von Bangkok.
Es ist eng und schummrig. Das dichte Gewirr von Plastikplanen lässt kaum Tageslicht durch. Trotz des Gewimmels geschieht das Ganze körperlos. Und sollte aus Versehen doch mal jemand einen anderen berühren, falten sich die Hände devot vor der Brust zur Entschuldigung. Buddha zum Wohlgefallen. Ein Markt also wie so viele in Thailand? So scheint es.
B. Plötzlich erschallt, wie aus dem Nichts, ein mechanisches Signal. Drei scheppernde Töne aus einem vorsintflutlichen Megafon. Gefolgt von einer Stimme, die irgendetwas auf Thailändisch daherleiert. Mechanisch und monoton.
Doch offenbar tonangebend. Denn von einer Sekunde auf die nächste tun die Händler eigenartige Dinge: Mitten im Verkaufsgespräch packen sie ihre Tische, lupfen sie an und ziehen sie wortlos zwei, drei Meter rückwärts. Die olivgrünen Plastikplanen, die die Tische beschirmen, werden zusammengefaltet. Stände, die vor wenigen Augenblicken kaum zwei Meter voneinander getrennt waren, gehen nun auf Distanz in Wassergrabenbreite.
Die Kunden scheint der Rückbau der Stände nicht weiter zu irritieren. Sie verziehen keine Miene und bewegen sich in entschleunigtem Gang runter von der Verkaufsgasse. In kleinen Nischen zwischen den Tischen und Körben bleiben sie stehen. Den Kopf zur Seite gedreht, den Blick starr auf eine kleine Kurve gerichtet.
C. Grund für die Aktion ist der 8-Uhr-40-Zug nach Samut Songkhram. Der fährt hier wirklich mitten hindurch. Haarscharf an den Ständen, den Schirmen und der Auslage vorbei - auch wenn man es als Tourist bis zuletzt nicht glauben will. Strammen deutschen Ordnungsbeamten würden angesichts dieser Zustände vermutlich die Gesichtszüge entgleisen. Doch Enge sieht man in Thailand nicht so eng, als dass man nicht einen Zug durch den Markt einer Provinzhauptstadt fahren lassen könnte. Genauer gesagt die Maeklong-Bahn - einen historischen Regionalzug.
Wie eine Fata Morgana taucht die Diesellok in der Kurve auf. Quietschend und schwerfällig. Händler halten die Stangen ihrer Standüberdachungen fest. So chaotisch und improvisiert das Markttreiben noch vor wenigen Sekunden wirkte, so millimetergenau wird nun ein akkurater Streifen gezogen. Nichts und niemand tritt darüber. Als gäbe es eine unsichtbare Demarkationslinie.
Als ein Tourist die Kamera zückt und sich etwas nach vorne wagt, um das Schauspiel abzulichten, winkt ihn ein Verkäufer zurück. "Back! Back!" ruft er. Zurückhaltung ist hier nicht nur buddhistische Tugend, sondern auch überlebenswichtig. Der Schirme-zurück-Markt (Thailändisch: Talad Rom Hoob) hat im Volksmund auch noch einen anderen Namen: gefährlicher Markt. Wobei angeblich noch nie jemand zu Schaden gekommen ist.
Mit dem Tempo und der Anmut eines Jogginganfängers nähert sich die Bahn. Es klackert und rumpelt. An manchen Stellen trennen die Waggons und Stände nur wenige Zentimeter. Doch alles ist genau abgemessen. Auch die Ware, die am Boden liegt, bleibt unversehrt. Weil sie nicht über das Gleisniveau hinausragt. Das Stahlross rattert über Körbe mit Bananen, Ananas, Ingwer und Hühnereiern, ohne etwas zu berühren.
Zielort ist das rund 30 Kilometer entfernte Mahachai. Wer dort mit einer Fähre das Flussufer wechselt, kann mit einem anderen Regionalzug bis nach Bangkok weiterreisen. 1905 ging die Maeklong-Bahn in Betrieb. Sie war übrigens zuerst da. Der Schirme-zurück-Markt belegte erst später die Gleise. Er entstand als Ableger des täglichen Markts von Samut Songkhram.
Weil die Verkaufsflächen auf den Gleisen keine Standgebühr kosten, konnten die Händler ihre Waren zu günstigeren Preisen als im offiziellen Teil anbieten. So fand der Schwellenmarkt in der Bevölkerung schnell Zuspruch - und die Bahngesellschaft kein Mittel, das Treiben wieder zu stoppen. Allerdings wird derzeit überlegt, die Endstation vor den Markt zu legen. Dann müsste sich der Zug nicht mehr achtmal am Tag hindurchquälen.
Doch selbst dann würde sich ein Besuch in Samut Songkhram lohnen. Im Zentrum gibt es einige historische Wohnhäuser. Beliebt sind außerdem Flussfahrten auf dem Fluss Maeklong, der hier in den Golf von Thailand mündet. Oder zu den Schwimmenden Märkten von Damnoen Saduak - sie gehören zu den Letzten ihrer Art, die im Originalzustand erhalten geblieben sind.
Ob dort oder in Samut Songkhram, auf den Märkten Thailands gibt es eine vielfältige Palette an Lebensmitteln. Vieles wird gleich an Ort und Stelle zubereitet - und verzehrt. "Wir Thais essen den ganzen Tag", sagt ein Verkäufer namens Muu. Das bedeutet Schwein und ist ein häufiger Spitzname.
Wenn er Hunger habe, erzählt Muu, würde er nicht weiterarbeiten. Mampfende Marktverkäufer gehören in der Tat zu den typischen Thailand-Bildern. Auch einige Kollegen Muus futtern derart herzhaft, dass man sie erst gar nicht ansprechen mag. Sie lassen sich vermutlich ohnehin durch nichts stören. Außer von einer tonnenschweren Eisenbahn.
D. Sobald die letzte Zugachse durch den Markt gerollt ist, werden die Schirme wieder aufgespannt und die Tische nach vorne gerückt. Alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Die Kunden schauen, schnuppern, wählen aus und verhandeln. Und wer Hunger hat, kauft sich einen Imbiss. Frisch vom Gleis.
Text-Quelle: www.spiegel.de/reise/fernweh/thailands-seltsamster-markt-shopping-auf-schienen-a-742707.html
Siehe auch: www.youtube.com/watch?v=8jpsKQkYRr4
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A. Exotische Märkte gibt es in Thailand wie Schotter in einem Gleisbett. Aber nur einen, auf dem achtmal täglich ein Zug mitten hindurchrumpelt. Schnell müssen dann die Verkäufer ihre Waren sichern - und auch für Kunden ist der Schienenverkehr nicht ungefährlich.
Es riecht nach frittiertem Fleisch und gedünstetem Gemüse. Nach frischem Fisch und Meeresfrüchten. Nach süß-sauren Saté-Spießchen und scharfer Nudelsuppe. Nach Obst und allerlei exotischen Gewürzen. Nach schwüler Luft und trocknenden Pfützen.
Ältere Verkäuferinnen mit nicht mehr ganz vollzähligem Gebiss verscheuchen Insekten. Geldscheine und Plastiktüten wechseln die Besitzer. Junge Frauen in Flipflops trotten über Betonplatten, Gleisstränge und Holzschwellen. Sie tuscheln und kichern und verhandeln hartnäckig mit den Verkäufern. Es rauscht, es wuselt, es menschelt auf dem Markt von Samut Songkhram, rund 70 Kilometer südwestlich von Bangkok.
Es ist eng und schummrig. Das dichte Gewirr von Plastikplanen lässt kaum Tageslicht durch. Trotz des Gewimmels geschieht das Ganze körperlos. Und sollte aus Versehen doch mal jemand einen anderen berühren, falten sich die Hände devot vor der Brust zur Entschuldigung. Buddha zum Wohlgefallen. Ein Markt also wie so viele in Thailand? So scheint es.
B. Plötzlich erschallt, wie aus dem Nichts, ein mechanisches Signal. Drei scheppernde Töne aus einem vorsintflutlichen Megafon. Gefolgt von einer Stimme, die irgendetwas auf Thailändisch daherleiert. Mechanisch und monoton.
Doch offenbar tonangebend. Denn von einer Sekunde auf die nächste tun die Händler eigenartige Dinge: Mitten im Verkaufsgespräch packen sie ihre Tische, lupfen sie an und ziehen sie wortlos zwei, drei Meter rückwärts. Die olivgrünen Plastikplanen, die die Tische beschirmen, werden zusammengefaltet. Stände, die vor wenigen Augenblicken kaum zwei Meter voneinander getrennt waren, gehen nun auf Distanz in Wassergrabenbreite.
Die Kunden scheint der Rückbau der Stände nicht weiter zu irritieren. Sie verziehen keine Miene und bewegen sich in entschleunigtem Gang runter von der Verkaufsgasse. In kleinen Nischen zwischen den Tischen und Körben bleiben sie stehen. Den Kopf zur Seite gedreht, den Blick starr auf eine kleine Kurve gerichtet.
C. Grund für die Aktion ist der 8-Uhr-40-Zug nach Samut Songkhram. Der fährt hier wirklich mitten hindurch. Haarscharf an den Ständen, den Schirmen und der Auslage vorbei - auch wenn man es als Tourist bis zuletzt nicht glauben will. Strammen deutschen Ordnungsbeamten würden angesichts dieser Zustände vermutlich die Gesichtszüge entgleisen. Doch Enge sieht man in Thailand nicht so eng, als dass man nicht einen Zug durch den Markt einer Provinzhauptstadt fahren lassen könnte. Genauer gesagt die Maeklong-Bahn - einen historischen Regionalzug.
Wie eine Fata Morgana taucht die Diesellok in der Kurve auf. Quietschend und schwerfällig. Händler halten die Stangen ihrer Standüberdachungen fest. So chaotisch und improvisiert das Markttreiben noch vor wenigen Sekunden wirkte, so millimetergenau wird nun ein akkurater Streifen gezogen. Nichts und niemand tritt darüber. Als gäbe es eine unsichtbare Demarkationslinie.
Als ein Tourist die Kamera zückt und sich etwas nach vorne wagt, um das Schauspiel abzulichten, winkt ihn ein Verkäufer zurück. "Back! Back!" ruft er. Zurückhaltung ist hier nicht nur buddhistische Tugend, sondern auch überlebenswichtig. Der Schirme-zurück-Markt (Thailändisch: Talad Rom Hoob) hat im Volksmund auch noch einen anderen Namen: gefährlicher Markt. Wobei angeblich noch nie jemand zu Schaden gekommen ist.
Mit dem Tempo und der Anmut eines Jogginganfängers nähert sich die Bahn. Es klackert und rumpelt. An manchen Stellen trennen die Waggons und Stände nur wenige Zentimeter. Doch alles ist genau abgemessen. Auch die Ware, die am Boden liegt, bleibt unversehrt. Weil sie nicht über das Gleisniveau hinausragt. Das Stahlross rattert über Körbe mit Bananen, Ananas, Ingwer und Hühnereiern, ohne etwas zu berühren.
Zielort ist das rund 30 Kilometer entfernte Mahachai. Wer dort mit einer Fähre das Flussufer wechselt, kann mit einem anderen Regionalzug bis nach Bangkok weiterreisen. 1905 ging die Maeklong-Bahn in Betrieb. Sie war übrigens zuerst da. Der Schirme-zurück-Markt belegte erst später die Gleise. Er entstand als Ableger des täglichen Markts von Samut Songkhram.
Weil die Verkaufsflächen auf den Gleisen keine Standgebühr kosten, konnten die Händler ihre Waren zu günstigeren Preisen als im offiziellen Teil anbieten. So fand der Schwellenmarkt in der Bevölkerung schnell Zuspruch - und die Bahngesellschaft kein Mittel, das Treiben wieder zu stoppen. Allerdings wird derzeit überlegt, die Endstation vor den Markt zu legen. Dann müsste sich der Zug nicht mehr achtmal am Tag hindurchquälen.
Doch selbst dann würde sich ein Besuch in Samut Songkhram lohnen. Im Zentrum gibt es einige historische Wohnhäuser. Beliebt sind außerdem Flussfahrten auf dem Fluss Maeklong, der hier in den Golf von Thailand mündet. Oder zu den Schwimmenden Märkten von Damnoen Saduak - sie gehören zu den Letzten ihrer Art, die im Originalzustand erhalten geblieben sind.
Ob dort oder in Samut Songkhram, auf den Märkten Thailands gibt es eine vielfältige Palette an Lebensmitteln. Vieles wird gleich an Ort und Stelle zubereitet - und verzehrt. "Wir Thais essen den ganzen Tag", sagt ein Verkäufer namens Muu. Das bedeutet Schwein und ist ein häufiger Spitzname.
Wenn er Hunger habe, erzählt Muu, würde er nicht weiterarbeiten. Mampfende Marktverkäufer gehören in der Tat zu den typischen Thailand-Bildern. Auch einige Kollegen Muus futtern derart herzhaft, dass man sie erst gar nicht ansprechen mag. Sie lassen sich vermutlich ohnehin durch nichts stören. Außer von einer tonnenschweren Eisenbahn.
D. Sobald die letzte Zugachse durch den Markt gerollt ist, werden die Schirme wieder aufgespannt und die Tische nach vorne gerückt. Alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Die Kunden schauen, schnuppern, wählen aus und verhandeln. Und wer Hunger hat, kauft sich einen Imbiss. Frisch vom Gleis.
Text-Quelle: www.spiegel.de/reise/fernweh/thailands-seltsamster-markt-shopping-auf-schienen-a-742707.html
Siehe auch: www.youtube.com/watch?v=8jpsKQkYRr4
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