War die Treuhand Fluch oder Segen für Thüringen und den gesamten Osten Deutschlands? War sie der Totengräber der DDR - Wirtschaft oder Geburtshelfer der Marktwirtschaft?
Auch nach über 20 Jahren bewegen diese Fragen die Menschen, die es betroffen hat. Allein in Thüringen wurden 2500 einst volkseigene Betriebe privatisiert. Viele Menschen wurden in den Jahren zwischen 1989 und 1995 entwurzelt und sehen diese Zeit bis heute mit vielen Emotionen.
Sie verloren die Arbeit, was in sehr vielen Fällen gar nicht notwendig gewesen wäre, mußten sich völlig neu orientieren, ich persönlich war davon auch betroffen. Ein Teil mußte viel zu früh in den Vorruhestand, nicht wenige fühlten sich ins Abseits gestellt. Manche von ihnen erhielten nicht einmal eine Abfindung, obwohl sie oftmals Jahrzehnte in diesen Betrieben gearbeitet hatten. Andere standen über Nacht als neuer Chef an der Spitze eines Unternehmens, dessen Zukunft mehr als unsicher war. Trotz vieler Unsicherheiten und Ungewissheiten herrschte damals eine große Euphorie, man überlegte nicht lange, sondern man legte einfach los. Jetzt nur auf Thüringen bezogen - wir hatten viele gut ausgebildete und engagierte Arbeitskräfte, doch für viele Betriebe war es zu spät, tausende und aber tausende wurden entlassen. EndeFebruar 1993 gab es in Thüringen nur noch 125 000 Industriebeschäftigte, vor der Wende waren es 600 000. Von der Arbeitsplatzvernichtung besonders betroffen waren Thüringer Bergleute ( 80 % )und die Arbeiter in der Grundstoff-und Maschinenproduktion
( 70 % ). Nur im Baugewerbe stieg die Zahl der Betriebe von 270 auf 628, bei Beschäftigten war das ein Anstieg von 43 000 auf 47 000. Als positive Sanierung wird das Kombinat Carl - Zeiss - Jena aufgeführt, aber auch da wurden ganze Betriebe stillgelegt, so zum Beispiel der intakte Betrieb in Saalfeld, der Linsen und Prismen herstellte. Mehr als 10 000 Zeiss - Mitarbeiter wurden entlassen. Es wurde überall getrickst, gelogen und übervorteilt. Im Endeffekt ging es nur um Gewinnmaximierung und wer wissen will wie Kapital reagiert, wenn ein fetter Gewinn zu erwarten ist, der lese beim alten Marx im " Kapital " nach, da hat sich seit seiner Analyse aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber überhaupt nichts geändert.
Natürlich protestierten Belegschaften gegen das Abwickeln ganzer Branchen, blockierten Autobahnen, gingen in den Hungerstreik.
In Hermsdorf am Autobahnkreuz A 4 und A 9 bei den Keramischen Werken Tridelta hat man sich gewehrt und sie hatten Erfolg, aber dies ist einer der wenigen positiven Beispiele.
Gegen kriminelle Machenschaften windiger Schein - Investoren, die in ihrer Gier nur die Immobilien oder Millionen an Fördermitteln im Sinne hatten, waren die Belegschaften letzendlich machtlos. Die Treuhand wollte , durfte oder konnte nicht eingreifen? Man hat natürlich sehr einfach auf diesem Wege auch Konkurrenz abgeschafft und sich den Markt des plattgemachten Betriebs angeeignet. (It's business as usual )
Glücksritter und Hasardeure waren in nicht mehr zählbarer Anzahl unterwegs und sie wollten nur eins, sie wollten betrügen. Einen 100- prozentigen Schutz gab es nicht und konnte es auch nicht geben, vielleicht wollte man ihn auch auf politischer Ebene nicht, wer weis es genau? Vieles also lief schief und oft wurden die kleinen Leute zum Verlierer einer überstürzten Privatisierung, die von der Treuhand nach dem Willen der Politik durchzusetzen war.
Auch Mitarbeiter der Treuhand machten sich strafbar. Im lezten Jahr der Behörde, 1994 , waren bundesweit 380 strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen Treuhänder anhängig. Wesentliche Straftatsbestände waren Untreue ( § 266 StGB ) und Bestechlichkeit ( § 332 StGB ). Die Dunkelziffer kennt niemand, aber sie liegt garantiert wesentlich höher.
Eine der aufsehenerregendsten Betrugsfälle erlebte die Thüringer Faser AG in Rudolstadt - Schwarza. Zahlungsunfähige Inder bekommen den Betrieb für eine D- Mark und transferieren danach illegal Millionenbeträge nach Asien. Wo war da die Bonitätsprüfung, der allgemeine Check über die Seriosität? Leider Fehlanzeige und leider auch kein Einzelfall! Laut Bundestags - Untersuchungsausschuss, der den Fall später untersuchte, hat die Treuhand die Bonität nicht überprüft. Die Faser AG mußte schließen. Wer wurde zur Rechenschaft gezogen - KEINER !
Gab es Alternativen zum umstrittenen Wirken der Treuhandanstalt?
Matthias Artzt, Ingenieur und Berliner Geschäftsführer des Freien Forschungskollegiums "Selbstorganisation" sagt bis heute, JA!
Die Idee für eine "Treuhand" zur Verwaltung des "Volksvermögens" der DDR kam aus dem Osten. Schon im Herbst 1989 arbeiteten Wissenschaftler und Bürgerrechtler an einem Konzept nach dem absehbaren Zusammenbruch der DDR, erläuterte Herr Artzt auf dem Kongress am 22.01.2013 in Erfurt. Das Volkseigentum sollte in Form von Anteilscheinen bei den Ostdeutschen bleiben und zum Aufbau der Wirtschaft dienen, nach dem Motto: Mündiger Bürger in der Marktwirtschaft ist nur, wer auch Eigentum besitzt. Mit dem Startkapital hätten Wohnungen, Gebäude oder auch - durch Zusammenlegen der Anteile der Belegschaft - Unternehmen erworben werden können. Laut Herr Artzt wurde das Konzept für die Sitzung des Runden Tisches am 12. Februar 1990 formuliert. Teil des Planes: Die Schaffung einer "Treuhandgesellschaft" zur Verwaltung des Volkseigentums. Der Runde Tisch fand die Idee gut. Matthias Artzt erzählte in Erfurt, dass sie auf Einladung des lutherischen Weltbundes nach Genf gefahren sind, der Weltbund sollte als neutraler Ombudsmann für die Treuhand dienen - und hatte das auch bereits zugesagt. Herr Artzt erinnert sich, dass sie davon ausgingen, am Tag der Volkskammerwahl - 18.März 1990 - wird es mit der Ausgabe der Anteilsscheine losgehen. Doch es kam anders. Die Modrow - Regierung (die letzte SED- geführte DDR - Regierung) entschied trotz der Entscheidung des Runden Tisches anders und strich die Paragrafen aus dem Konzept für eine Errichtung einer Treuhandgesellschaft. Auch die Kontrolle durch einen neutralen Ombudsmann war nicht mehr vorgesehen. Die Treuhand-Anstalt, wie sie am 1. März 1990 per Gesetz beschlossen wurde, hatte nur noch wenig mit der Vision des Forschungskollegiums zu tun. Hier hat in erster Linie die Regierung unter Hans Modrow versagt. Natürlich wollten auch Viele noch ihr Schärfchen ins Trockene bringen, ein Schalk ist, wer da Böses denkt. Die durch die erste freie Volkskammerwahl gewählte Regierung unter Lothar de Maziere hatte eine solche Entscheidungsgewalt nicht mehr gehabt. Es wäre ja auch doch etwas zu viel gewesen,für die Herrschenden. das Kapital, die gesamte Wirtschaft, wenn diese Vorstellungen geklappt hätten. Etwas völlig Neues in Deutschland und dann auch noch zum Wohl der Kleinen Leute, der nicht so Begüterten, der Leute die keinen Posten, egal welcher Coleur, haben. Nein, so was geht in Deutschland nicht. Ergo als Fazit: Wieder keine Revolution richtig beendet! Ein dreifach Hoch auf den Kapitalismus, der mir wie eine Badekur bekommt. Also - Im Westen nichts Neues, da bekommt der Osten auch nichts Neues - Fall geklärt und es geht daran ihn abzuschließen - Deutschland einig Vaterland -! Wolf Schöde, ehemaliger Pressesprecher der Treuhand in Berlin, forderte am 22.01. 2013 in Erfurt die wahrheitsgemäße Aufarbeitung des Wirkens der Treuhand. Die Akten müßten dafür offengelegt werden und es müßte die politische Entscheidung getroffen werden, dass wesentliche Treuhandakten vorzeitig entsperrt und zugänglich gemacht werden. Also wenn Entsperrung, dann doch aller Akten und da ergibt sich gleich die Frage - Warum mußten die Treuhandakten gesperrt werden? Gibt es Etwas zu verbergen? Warum wurde nicht eine einzige Führungskraft der Treuhand zur Rechenschaft gezogen, es gab ja nun wirklich genug Unzulänglichkeiten, wenn man deutlicher werden will - Sauereien -. Soweit mir bekannt ist, wurde ja den Treuhändern Straffreiheit zugesichert, wenn dies stimmt, dann ist schon da was oberfaul. Wo war die Kontrollinstitution für die Treuhand, wurde überhaupt kontrolliert? Fragen über Fragen und nicht auf alle eine Antwort.
Zum Abschluss will ich noch von einem Erlebnis aus Bayern im Jahre 1991 berichten. Ich war auf einer öffentlichen Veranstaltung, weil ich schon immer ein vielseitig interessierter Mensch war und auch noch bin. Da schwadronierte am Tisch eine männliche Person folgenden Satz: - Die deutsche Einheit ist erst abgeschlossen, wenn kein einziger Ostdeutscher mehr im Grundbuch steht -
Wer im Grenzraum zwischen Bayern und Thüringen aufgewachsen ist und naturgemäß auch verwandtschaftliche Verbindungen über die Grenzen hinweg hat, der fand die deutsche Teilung schon widernatürlich. Aber diese oben aufgeführte Äußerung gab mir doch reichlich zu denken, dass es ein sehr langer und steiniger Weg zur wirklichen Einheit der Deutschen werden wird und so ist es auch. Aber man bewegt sich doch, wenn auch nur langsam und es gibt wie in jedem Prozess positive und negative Erfahrungen und Beispiele. Also in diesem Sinne : Einigkeit und Recht und Freiheit für alle Deutschen!