Guten Abend meine Damen und Herren,
wieviele Nullen hat eigentlich eine Milliarde? An dieser Frage ist vor rund 20 Jahren auch schon mal ein Bundeswirtschaftsminister gescheitert, der Mann war nicht bange zu erklären „das zu wissen, dafür habe er seine Experten “. Und bei einem bekannten Moderator hatte am vergangenen Samstag in der Sportschau die Mrd. auch nur 7 Nullen, und damit zwei zu wenig. Und was ist mit 100 Milliarden? Genau, es sind zwei Nullen mehr, also insgesamt 11. Warum frage ich das hier und in diesem Zusammenhang?

Weil derzeit allein in Deutschland pro Jahr ca. 100 Milliarden Fotos gemacht werden! Glauben Sie nicht? Doch, stimmt aber, die Zahl ging vor ein paar Tagen angesichts der vor der Tür stehenden Photokina durch die Medien. Wenn man das mal grob runterrechnet sind das 3 Fotos pro Bundesbürger am Tag - Säuglinge und Greise eingeschlossen - oder 6 Fotos pro Smartphone am Tag. In Zeiten von Selfie-Sticks, billigen Smartphones und Kameras und fast kostenlosen Speichermedien ist das durchaus plausibel.

Und - wen’s interessiert: Würde man das alles herunterladen - was ja hoffentlich nicht geschieht - würde das grob geschätzt ca. 10.000 1 TB Festplatten füllen - liefen die täglich nur eine Stunde würden sie übers Jahr ca. 40.000 kWh oder ca. 12.000 € an Energie verbraten. Unglaubliche Zahlen und nachhaltig ist anders, oder …

Allerdings kann man auch davon ausgehen, dass von diesen 100 Mrd Fotos 99 Mrd und 999 Millionen überbelichtet, unterbelichtet, verwackelt, unscharf oder total nichtssagend und belanglos sind. Von der verbleibenden Million brauchbarer Fotos gehen noch mal etliche verloren durch Festplattencrash (jaja, wieder mal nicht gesichert …), Verlust der Speicherkarte, versehentliches Löschen, Überschreiben, Kamera geklaut usw. Und von dem verbleibenden Rest sehen Sie hier eine kleine aber repräsentative Auswahl.

Warum erzähle ich ihnen das? Weil durch die technische Entwicklung der vergangenen 20 Jahre die Wertschätzung für Fotos ins Bodenlose gesunken ist und weil wir uns immer öfter Fotos ansehen – müssen -, die einfach nur grottenschlecht sind. Die von mir sehr geschätzte Jaqueline Esen schreibt dazu in ihrem Fotoblog ironisch: Urlaubsfotos zeigen steht leider immer noch nicht auf der Liste der weltweit geächteten Foltermethoden, es ist also nach wie vor völlig legal.

Aber was ist denn eigentlich ein gutes Foto? Und wie so oft ist die Antwort auf so eine Frage: Das kommt ganz darauf an. Auf was denn? „Gut“ und „schlecht“ sind in der Fotografie wie auch in anderen Disziplinen „mehrdimensional“. Dabei geht es z.B. um:

• Technische Qualität – das ist schlicht Handwerk, das kann jeder mit einer ordentlichen Kamera lernen
• Fotografische Aussage – das ist der kreative Teil und der ist nicht jedem gegeben
• Gestaltung – das ist beides, Handwerk und Kreativität, Regeln beachten oder auch bewusst missachten!
• Ästhetik – ein sehr subjektives Kriterium, jeder hat seine eigene Ästhetik.
• Emotionalität - was soll das Bild beim Betrachter auslösen?
• Originalität – Hier ist das Auge des Fotografen gefordert!

Ein perfekt belichtetes und knackscharfes Foto kann eben trotzdem schlecht sein, wenn es ohne Aussage daherkommt, ebenso kann ein unscharfes Foto durchaus gut sein. Es kommt eben auf unsere Erwartungshaltung und Interpretation des Gesehenen an. Dabei spielen Assoziationen, eigene Erinnerungen und Wiedererkennen eine maßgebliche Rolle. Unsere Bewertungen von Bildern sind immer subjektiv und abhängig von unserer Lebenserfahrung und unseren Vorstellungswelten. Deshalb gibt es mitunter auch unterschiedliche Meinungen dazu, die man akzeptieren und zulassen muss.

Für mich selbst habe ich im Laufe der Jahre zwei Kriterien entwickelt, an denen ich meine Bilder messe – Warum jetzt mit einem Mal Bilder und nicht Fotos, dazu gleich mehr.
Erstens: Erzählt das Bild seine Geschichte selbst? Wenn ja ist gut, wenn ich es erklären muss, taugt das Bild nichts.
Zweitens: Kann ich spontan einen Titel für das Bild vergeben? Wenn ja ist gut, wenn das nicht gelingt, taugt das Bild nichts weil es ohne Aussage daher kommt.

Das sind meine Kriterien, Ihre können durchaus anders sein. Ansonsten halte ich es wie mit einem Rotwein, wenn er mir schmeckt, ist er gut, egal was er kostet und was die Sommeliers dazu sagen.

So, und wie ist das jetzt mit Fotos und Bildern: Eigentlich wie zu analogen Zeiten: Fotos sind auf dem Film oder der Speicherkarte, ein Bild wird daraus durch die Entwicklung und Bearbeitung, sei es wie früher in der Dunkelkammer oder wie heute in Photoshop oder Lightroom oder was immer sie dafür nutzen.

Von selbsternannten Foto-Puristen müssen wir uns mitunter dazu anhören, dass sich das nicht gehöre, weil es unauthentisch ist. In meinen Augen ist das Unsinn, weil die Bilder der großen Fotografen des vergangenen Jahrhunderts alle ihren letzten Schliff in der Dunkelkammer bekommen haben, wir Amateure – die keinen Zugang zu einer Dunkelkammer hatten – mussten aber mit dem Vorlieb nehmen, was die Automaten damals ausspuckten. Was wir heute bei der Bearbeitung unserer Fotos machen, ist ein sehr kreativer Prozess, dabei entsteht aus einem schnöden Foto oft ein besonderes Bild.

Und das unterscheidet uns eben auch von den Leuten mit dem Selfie-Stick: Wir wollen Bilder machen, die auch andere interessant finden und die wir nicht erklären müssen. Die reine Reproduktion des Gesehenen reicht dabei heute oft nicht mehr aus, weil es eben so unendlich viele Fotos gibt und die unbearbeiteten Abbildungen eines Objektes zunehmend uninteressanter werden. Schon die Farbwiedergabe heutiger Kameras sorgt für eine Überhöhung der Wirklichkeit: Unsere Bilder sind bunter, detailreicher und schärfer als je zuvor.

Dank der digitalen Technik ist die Zeit der Zweiklassenfotografie vorbei. Das ist Segen und Fluch zugleich, denn hier schließt sich der Kreis, denken Sie an die 100 Mrd. Fotos die pro Jahr in Deutschland geschossen werden.

Ich hoffe, dass die Auswahl von ca. 120 Bildern, die wir Ihnen hier heute präsentieren, Gnade unter Ihren kritischen Augen findet. Neben dem Sonderthema „Arbeitswelten“, zu dem Sie - für uns selbst überraschend - viele Arbeiten finden, gibt es wieder einen Querschnitt der Arbeiten der Teilnehmer aus den vergangenen 12 Monaten. Da jeder etwas anderes in seinem fotografischen Portfolio hat, andere Interessen und Schwerpunkte hat, werden Sie hier wieder die ganze Welt im Großen und im Kleinen und das pralle Leben finden.

Und einen überaus lebendigen Austausch bringt so eine Veranstaltung im Vorfeld auch immer mit sich: Wer hängt und wann, wo sind eigentlich die Nägel für die Haken geblieben, was soll auf den Schildern stehen, Oh meine Güte, ich muss ja noch bestellen, Ich hab dieses Mal sowieso nichts zum Thema, usw. usw. Geklappt hat’s trotzdem wieder … wie jedes Jahr.

Und noch eine persönliche Bemerkung sei hier zum Schluss erlaubt. Unser Club ist mit ca. 35 Mitgliedern - von denen etwa 15 zum „harten Kern“ gehören – zwar relativ klein aber dennoch ziemlich rührig. Das danken wir im Wesentlichen Dir, Robert, das muss auch mal gesagt werden. Danke für dein Engagement, ich freue mich sehr, dass ich Teil hiervon sein darf, es macht einen riesigen Spaß mit euch allen.

Vielen Dank und einen schönen Abend.